Kanton Waldstätten

Gebiet

Der Kanton Waldstätten war einer der neuen helvetischen Kantone. Er wurde «aus den militärisch unterworfenen Urschweizer Kantonen Uri (mit Ursern), Schwyz (ohne March und Höfe, mit Gersau), Obwalden, Nidwalden (mit Engelberg) sowie Zug» gebildet. Mit Beschlüssen der helvetischen Räte vom 29. Juni und 2. Juli 1798 wurde er in die Distrikte Schwyz, Einsiedeln, Zug, Stans, Sarnen, Altorf und Andermatt eingeteilt. «Der neue Kanton war ein Zentrum des Widerstands gegen die Helvetische Republik, die sich dort nur in Ansätzen etablieren konnte.» Die Kantonsverwaltung war entsprechend schwach institutionalisiert; es bestanden kaum Verwaltungstraditionen, an die man hätte anknüpfen können oder wollen. Land und Bevölkerung wurden durch den Zweiten Koalitionskrieg stark in Mitleidenschaft gezogen. «Nach dem dritten Staatsstreich lösten die Föderalisten den Kanton Waldstätten im November 1801 auf und stellten die alten Kantone wieder her.»[1] Diese Restitution hatte jedoch keine Auswirkungen mehr auf die Strassenumfragen.

Quellen

Im Zusammenhang mit den verschiedenen Strassenumfragen sind aus dem Kanton Waldstätten folgende im Projekt transkribierte Dokumente überliefert:

Das Strassennetz des helvetischen Kantons Waldstätten gemäss Klassifikation von Ende 1800

In der Umfrage vom 18. Oktober 1800, im Gesetz vom 22. Oktober 1800 und in folgenden Präzisierungen des Kriegsministers wurde kurz erläutert, was die verschiedenen Klassen auszeichnete:

1. Klasse
Hauptstrassen, die durch Transport grosser Lasten, durch Diligencen und allgemein grosse Frequenzen am meisten mitgenommen werden.

2. Klasse
Wege, die durch Fuhrwerke des Handelsverkehrs weniger mitgenommen werden, die aber dennoch zu den grossen Strassen gerechnet werden.

3. Klasse
Kommunikationswege, die von den grossen Strassen aus ins Landesinnere führen oder die Regionen untereinander verbinden.

4. Klasse
Gemeindeverbindungen.

5. Klasse
Saumwege.

6. Klasse
Fusswege.

Zur Klasseneinteilung siehe auch «Strassenklassen».

Das Strassennetz des Kantons Waldstätten nach der Rückmeldung des Kriegsministeriums vom 30. Dezember 1800.[8]  (GIS HSE 2018; Relief Imhof 1982)

Von den sechs Klassen waren die ersten vier Klassen befahrbar, die erste und die zweite Klasse mit Kutschen und schweren Fuhrwerken. Bei letzteren handelte es sich allgemein um Zweispänner mit einem Gewicht von zwei bis zweieinhalb und in der Zeit der Helvetik bis drei Tonnen, Fracht inklusive Wagengewicht.[9] Die dritt- und viertklassigen Strassen waren mit leichten Karren und kleineren Wagen befahrbar.

Peter Hoppe, der ehemalige Staatsarchivar des Kantons Zug hat die Strassenklassifikation des Kantons Waldstätten in zwei für unser Projekt grundlegenden Studien detailliert ausgewertet:

  • Hoppe, Peter. Das innerschweizerische Strassen- und Wegnetz im Jahr 1801. Eine Auswertung der helvetischen Strassenklassierung im Kanton Waldstätten, in: Der Geschichtsfreund 158, 2005, 211–249 und Kartenbeilage.
  • Hoppe, Peter. Das Zuger Strassen- und Wegnetz im Jahr 1801. Eine Auswertung der helvetischen Strassenklassierung im Kanton Waldstätten. in: Tugium 21/2005, 177–193.

Im Kanton Waldstätten konnte keine einzige Strasse in die erste Klasse eingeteilt werden. Mit dieser höchsten Strassenklasse hatte man die seit den 1740er-Jahren durch das Mittelland angelegten Chausseen im Auge. Nur insgesamt fünf Hauptstrassen zweiter Klasse wurden für die geografisch reich gegliederte Region verzeichnet, wobei in zwei wichtigen Fällen, dem Saumweg über den Gotthard und der Landstrasse von Zug über Sihlbrugg Richtung Horgen und Zürich, noch zusätzlich vermerkt wurde, dass diese Verkehrswege nur wegen der Bedeutung, nicht aber wegen des Ausbaustandards, also eigentlich gegen das Prinzip der Zustandserhebung, aufgenommen würden. Der dritten Klasse wurden drei Verbindungen zugeordnet. 34 Verbindungen entfielen auf die viertklassigen Fahr- und Karrwege, die damit die mit Abstand grösste Klasse der befahrbaren Verkehrswege bildeten. 26 Verbindungen waren Saum- und 51 Fusswege.

Nur ein Drittel der 119 erfassten Strassen galten als befahrbar und zwei Drittel als nicht befahrbar. Zwei Drittel der nicht befahrbaren Wege waren Fuss- und ein Drittel Saumwege. Hinsichtlich der räumlichen Verteilung der Wegklassen gab es erhebliche regionale Unterschiede, konzentrierten sich doch die Haupt- und Fahrstrassen in der Region nördlich der Stadt Zug, die Hoppe noch als «Ausläufer des grossen mittelländischen Netzes» interpretiert. Im Übrigen beschreibt er dieses Netz als «ein nur beschwerlich zu benützendes, sehr kleinteiliges Verkehrsnetz, das zudem mit häufigen Wechseln des Verkehrsmittels belastet war. Am eindrücklichsten ist dabei die Beobachtung, dass zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil des Kantons Waldstätten keine einzige durchgehende Verbindung für den Gütertransport auf dem Landweg bestand, sei es nun auf Rädern oder auf Saumtieren. Die helvetische Strassenaufnahme lässt aber auch bezüglich des «fast überall in völligem Zerfall befindlichen» Wegnetzes regionale Unterschiede hervortreten, indem in den Distrikten Altorf und Andermatt der Zustand der Wege in 69 Prozent der Fälle als schlecht bis sehr schlecht bezeichnet wurde, im Kanton Zug jedoch nur in 31 Prozent der Fälle. Schliesslich tritt auch die «zentrale Wichtigkeit der Seen – des Vierwaldstättersees wie des Zugersees – als der bevorzugt benutzten verbindenden Wasserstrassen tritt deutlich hervor».[10] Der Grund dafür lag einerseits in der Topografie mit vielen steilen Uferpassagen und andererseits vor allem in den Transportkapazitäten der Schifffahrt. Sie waren um ein Vielfaches höher als die des Strassenverkehrs.[11]

 

[1] Renato Morosoli. Waldstätten, HLS, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8639.php [16. 7. 2018]; zur Distriktseinteilung: ASHR 2, Nr. 81, 471f.

[2] CH-BAR#B0#1000/1483#3173-04#1, fol. 161–167 [PDF-S. 31-44].

[3] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 231-236 [PDF-S. 423-432].

[4] CH-BAR#B0#1000/1483#2813#1, p. 188-189 [PDF-S. 191-192].

[5] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 237-244v [PDF-S. 433-448].

[6] CH-BAR#B0#1000/1483#2814#1, p. 20-21 [PDF-S. 21-22].

[7] CH-BAR#B0#1000/1483#3174#1, fol. 101-108v [PDF-S. 156-170].

[8] Die viertklassige Strasse «7. Von Baar auf Neuheim», «fängt an beÿ Hinterburg, wo sie sich von der Menzingerstraße trennt, und endet in Neuheim» ist redundant zu den Strassen «4. Von der Sihlbrüke auf Egeri», «geht über Neuheim und Wÿlegeri» und «6. Von Baar auf Menzingen», «fängt an in Baar und endet in Menzingen».

[9] Über die höchstzulässigen Gewichte vgl. Frey 1932, 56ff.

[10] Hoppe, Peter. Das innerschweizerische Strassen- und Wegnetz im Jahr 1801. Eine Auswertung der helvetischen Strassenklassierung im Kanton Waldstätten, in: Der Geschichtsfreund 158, 2005, 211–249 und Kartenbeilage, 230.

[11] Reitmaier, Thomas, Vorindustrielle Lastsegelschiffe in der Schweiz. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Bd. 35, Basel 2008, 1; Schiedt, Hans-Ulrich. Binnenseen in der Schweiz als Verkehrsräume im Zeitraum zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert, in: Egli, Hans-Rudolf (Hg.), Seen als Siedlungs-, Wirtschafts- und Verkehrsräume, Reihe: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie, Bd. 27, 2010, 163–183, 173ff.