Gebiet
Der Kanton Thurgau entstand erst im Zusammenhang mit der helvetischen Umwälzung. Vorher hatten in der Landschaft Thurgau nebeneinander verschiedene weltliche und geistliche Herrschaften und eidgenössisches Untertanengebiet bestanden. Gemäss der helvetischen Kantons- und Distriktseinteilung vom 23. Mai 1798 wurde der Thurgau neu in die Distrikte Arbon, Bischofszell, Frauenfeld, Gottlieben, Steckborn, Tobel und Weinfelden eingeteilt. Horn war eine thurgauische Enklave im Kanton Säntis.[1] Die Gemeinde Steinach gehörte zum Distrikt Rorschach im Kanton Säntis; sie trennte Horn vom Hauptteil des Kantons Thurgau ab. Die Obervogtei Stamheim-Steinegg wurde aufgeteilt. Nussbaumen kam zum Kanton Thurgau, Ober- und Unterstammheim kamen zum Kanton Zürich.
Diessenhofen wurde ursprünglich dem Kanton Schaffhausen zugeschlagen. Auf die Bitte der Munizipalbehörde Diessenhofen und in Erwägung der Lage auf der anderen Seite des Rheins stimmten der helvetische Grosse Rat und der Senat am 6. Juni 1800 der Umteilung zum Kanton Thurgau zu. Diessenhofen wurde achter Distrikt.[2]
Quellen
Der Kanton Thurgau war einer der neuen Kantone. Die helvetische Kantonsverwaltung war entsprechend relativ schwach institutionalisiert; es bestanden kaum Verwaltungstraditionen, an die man hätte anknüpfen können. Die Amtskorrespondenz zwischen der Zentralverwaltung respektive dem Kriegsministerium und den Behörden des Kantons war entsprechend dünn (siehe dazu «Schriftlichkeit als Verwaltungsprinzip»). Im Zusammenhang mit den verschiedenen Umfragen sind aus dem Kanton Thurgau folgende im Projekt transkribierte Dokumente überliefert:
- Strassenliste aus dem Jahr 1799.[3]
- Antwort vom 28. Oktober 1800 auf die Vernehmlassung vom 15./20. September 1800.[4]
- Strassenklassifikation des Kantons Thurgau.[5] Die Klassifikation des Kantons Thurgau ist nicht datiert. Die Tatsache, dass der Kriegsminister am 17. Dezember 1800 eine Rückmeldung absandte,[6] datiert die Klassifikation eindeutig noch auf das Jahr 1800.
- Rückmeldung des Kriegsministers an die kantonale Verwaltungskammer vom 17. Dezember 1800.[7]
- Nachricht des Kriegsministers an den Strasseninspektor des Kantons Thurgau vom 28. Mai 1801.[8]
- Antwort vom 6. Mai 1801 auf die Umfrage zu den Verhältnissen des Strassenbaus und Strassenunterhalts vom 15. Februar 1801.[9]
Im Weiteren sind in den Beständen der Abteilung III des Kriegsministeriums zwei Manuskriptkarten überliefert, die Teile des Kantons Thurgau zeigen:
- «Route Commerciale & militaire lelong du Lac de Constance», 28. Januar 1799, Feuille A, Feuille B.[10]
- «Entwurf der Straßen Linien von Elgg nach Wyl durch den Canton Thurgau», nicht datiert.[11]
Das Strassennetz des helvetischen Kantons Thurgau gemäss Klassifikation von Ende 1800
In der Aufforderung des Kriegsministers zur Klassifikation der Strassen vom 18. Oktober 1800, im Gesetz vom 22. Oktober 1800 und in folgenden Präzisierungen des Kriegsministers wurde kurz erläutert, was die verschiedenen Klassen auszeichnete:
1. Klasse
Hauptstrassen, die durch Transport grosser Lasten, durch Diligencen und allgemein grosse Frequenzen am meisten mitgenommen werden.
2. Klasse
Strassen, die durch Fuhrwerke des Handelsverkehrs weniger mitgenommen werden, die aber dennoch zu den grossen Strassen gerechnet werden.
3. Klasse
Kommunikationswege, die von den grossen Strassen aus ins Landesinnere führen oder die Regionen untereinander verbinden.
4. Klasse
Gemeindeverbindungen.
Zur Klasseneinteilung siehe auch «Strassenklassen».
Das Strassennetz des Kantons Thurgau gemäss der Klassifikation der kantonalen Verwaltungskammer. (GIS HSE 2018; Relief Imhof 1982)
Das Strassennetz des Kantons Thurgau nach der Rückmeldung des Kriegsministeriums vom 17. Dezember 1800. (GIS HSE 2018; Relief Imhof 1982)
Die Thurgauer Klassifikation vom 28. Oktober 1800 wies keine viertklassigen Strassen aus.[12] Das entsprach durchaus noch dem Auftrag des Kriegsministers. In diesem waren wohl vier Klassen erwähnt und definiert. Die helvetische Strassenverwaltung forderte aber zwingend nur von den ersten drei Klassen Informationen ein. Es war den Kantonen überlassen, auch die vierte, respektive in Gebirgskantonen auch die vierte bis sechste Klasse zu dokumentieren. Die ursprünglichen Pläne der Zentralverwaltung hatten die Übernahme der Strassenverantwortung der ersten drei Klassen durch den Staat vorgesehen. Dieses weitgehende Ziel wurde angesichts der helvetischen Finanzmisere schon bald auf die Strassen erster und zweiter Klasse reduziert.
Der Kanton Thurgau wies zwei Strassen erster Klasse auf. Beide hatten ihren westlichen Ausgangspunkt in Winterthur respektive in Zürich. Es handelte sich, erstens, um einen kürzeren Abschnitt der Chaussee von Zürich nach St. Gallen und Rorschach, der zwischen Aaorf und Münchwilen über thurgauisches Territorium verlief. Die andere Chaussee führte von Islikon über den neuen Kantonshauptort Frauenfeld nach Konstanz.
Neben den beiden Strassen erster Klasse wies die von der kantonalen Verwaltungskammer eingesandte Klassifikation sieben Strassen zweiter Klasse auf. Bei der als zweite der Drittklassstrassen aufgelisteten Strasse «von Weinfelden über Bürglen, Sulgen, Öttlishausen [Oetlishausen], Hohentannen nach Bischoffzell» ergibt sich eine Redundanz mit schon genannten Strassen (2.5 und 3.1.).
Fünf der zweitklassigen Strassen wurden durch die folgende Rückmeldung aus dem Kriegsministerium in die dritte Klasse abgestuft: «Die außerordentliche Geldklemme worinnen wir uns so lange der Krieg dauert befinden werden, nöthigt uns bey der Organisation der Brüken und Straßen darauf zu achten, insonders was die Errichtung der Wegknechte anbetrift.
Ich habe einige Abänderungen an der Straßen Claßifikation die Sie mir eingesandt, zu machen für nöthig erachtet, damit solche mit der der andern Kantone übereinstimme. Sie werden selbsten einsehen B[ürger] V[erwalter], daß wann eine allgemeine Maßregel soll ergriefen werden, man sich nicht an den Localitaets Geist binden kann».[13] Strassen zweiter Klasse waren nun noch die beiden Strassenzüge von Schaffhausen über Frauenfeld nach Wil und dem Untersee entlang von Eschenz nach Konstanz. Die restlichen fünf Strassenzüge, darunter die beiden in der Vergangenheit wichtigen Nordsüdverbindungen von Konstanz über Bischofszell und von Konstanz über Wil Richtung Toggenburg, wurden neu in die dritte und die der dritten in die vierte Klasse umzuklassiert.
Alle klassifizierten Strassen waren fahrbar, die erste und die zweite Klasse mit Kutschen und schweren Fuhrwerken. Bei letzteren handelte es sich allgemein um Zweispänner mit einem Gewicht von zwei bis zweieinhalb und in der Zeit der Helvetik bis drei Tonnen, Fracht inklusive Wagengewicht.[14] Die dritt- und viertklassigen Strassen waren mit leichten Karren und Wagen befahrbar.
Ausschnitt aus dem Blatt 11 des «Atlas de la Suisse» von Heirich Keller und Johann Jakob Scheuermann aus dem Jahr 1822. Aus den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sind aus dem Thurgau keine wichtigen Strassenbauten überliefert, so dass das hier gezeigte Netz noch weitgehend dem zur Zeit der Helvetik bestehenden entspricht. (ETH-Bibliothek, Kartensammlung)
[1] ASHR 2, Nr. 88, 490.
[2] ASHR 5, Nr. 458, 1155.
[3] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 227-230 [PDF-S. 416-422].
[4] CH-BAR#B0#1000/1483#3163#1, fol. 281–287 [PDF-S. 460-472].
[5] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 214-215 [PDF-S. 395-397].
[6] CH-BAR#B0#1000/1483#2813#1, p. 171-172 [PDF-S. 174–175].
[7] CH-BAR#B0#1000/1483#2813#1, p. 171-172 [PDF-S. 174–175].
[8] CH-BAR#B0#1000/1483#2814#1, p. 132-133 [PDF-S. 134-135].
[9] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 109-111v [PDF-S. 190-195].
[10] CH-BAR#B0#1000/1483#3168-01#1, fol. 127v–128 [PDF-S. 222–223].
[11] CH-BAR#B0#1000/1483#3170#1, fol. 93 [PDF-S. 162].
[12] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 214-215 [PDF-S. 395-397].
[13] CH-BAR#B0#1000/1483#2813#1, p. 171-172 [PDF-S. 174–175].
[14] Über die höchstzulässigen Gewichte vgl. Frey 1932, 56ff.