Als die Rückmeldungen des Kriegsministers bezüglich der Klassifizierungsumfrage und der Anstellung von Wegknechten grösstenteils erfolgt waren und nur noch die Klassifikationen der Kantone Bellinzona und Lugano fehlten, wandte sich der Kriegsminister mit einer letzten Umfrage an die kantonalen Verwaltungskammern. Federführend war dabei, der Handschrift des französischen Fragenkatalogs im Missivenbuch nach zu schliessen, einmal mehr Generalinspektor Jean Samuel Guisan.
Es handelte sich um den umfangreichsten Fragenkatalog überhaupt. Die kantonalen Verwaltungskammern respektive die Kantonsinspektoren sollten innert sechs Wochen 23 Fragen beantworten. Sie betrafen die vor Ort vorhandenen Fachleute, Ingenieure, Baumeister, Maurer, Zimmerleute, Wegmeister, Schmiede, Unternehmer des Strassenbaus und deren Löhne, die Fuhrkapazitäten und die Preise der Fuhren, die Steinbrüche, Kiesgruben, die Qualität und den Preis der Steine, die Qualität und den Preis von Dachziegeln, Backsteinen, des ungelöschten und gelöschten Kalkes, die verschiedenen Hölzer sowie die Preise der Werkzeuge, der Schub- und der Pferdekarren. Die Kenntnisse sollten die weitere Grundlage bilden, um die aus den Kantonen vorgelegten Pläne und Rechnungen einschätzen und um von der Zentralverwaltung aus Bauvorhaben planen und durchführen zu können.
«Fevrier le 15 1801. […]
Circulare 879.
Ich lade Sie ein, mir alle die Fragen, so hier nachfolgen, der Ordnung nach und mit hinlänglicher Ausführlichkeit, die keiner weitern Erläuterung bedarf, zu beantworten; zugleich bemerke ich Ihnen, daß, da diese Fragen den ganzen Umfang ihres Kantons betreffen, Sie die Orte benennen müßen, wo sich die Menschen, oder andere Dinge, von denen Erwähnung geschieht, befinden, so wie die Gegenden, wo die Preise verschieden sind.
1o. Was sind für Ingenieurs, die man zur Leitung und Aufsicht von Waßerbauwerken oder andre anstellen könnte?
2o. Welche sind die für Maurer- oder Zimmerwerk geschikten Baumeister welche sind es in beyden Arten, und welche sind beym Waßerbauwesen besonders bey Brüken vorzuziehen?
3o. Welche sind geschikte Maurer und Zimmermeister, die in Ermangelung eines Baumeisters bey Erbauung steinerner oder hölzernen Brüken angestellt werden könnten?
4o. Was sind für Männer, die man als Aufseher des Straßenwesens zur Leitung der Arbeiten einer neuen Straße brauchen kan?
5o. Welches sind die, so schon bey Erbauung neuer Wege gebraucht worden sind, oder welche könnte man in ähnlichen Fällen anstellen?
6o. Welche Schmiede verdienen für die Eisenarbeiten Zutrauen?
7o. Würde man Unternehmer finden, die durch ihren Karakter und ihre Talenten fähig wäre[n], sich mit einer mehr oder minder beträchtlichen Entreprise, das Straßenwesen betreffend, so wohl was Mauer- und Zimmerwerk, als Weg- und Zuführen der Erde ansieht, zu befaßen?
8o. Findet man Unternehmer für Taglohns Fuhren, so wie man sie bey Erbauung von Straßen bedarf?
9o. In welchem Preis sind die Fuhren für 4, 3, 2 und einen Pferdte des Tags und welcher Unterschied wäre dann, wenn mann dazu die Wagen oder Karren wohl unterhalten hergäbe?
10. Was sind für Steinbrüche in dem Kanton? Welche Gattung Steine liefern sie, und von welcher Qualitaet sind sie zu welcher Gattung von Arbeit sind sie geeignet im Waßer oder sonst? In welcher Entfernung sind sie von diesem oder jenem Weg?
11o. Welches ist der Preis eines Kubikfußes gehauenen und des Bruchsteins bis auf eine halbe, eine ganze und anderthalb Stunden gebracht?
12o. Was ist der Preis der Baksteine und der Dachziegel?
No 13. In welchem Preis ist der fette und magere Kalk und wie ist seine Qualitaet?
14o. In welchen Distrikten giebt es häufiger Eichen, Tannen, Fichten und Lerchenbäumen, und was ist ihr Preis?
15. Was ist der Taglohn der Maurer, Zimmerleute und Taglöhner oder Handlanger?
16o. Welches ist der Preis jeder Art Maurerarbeit nach dem Zürcher Kubikfuß gerechnet; gesezt ein Unternehmer liefere alle Materialien, als gehauene Steine, grobe und Bruchsteine, und was wäre der Preis, wenn der Unternehmer nur die Façon bezahlte?
17o. Was ist der Preis in Zimmerarbeit? Was kostet der laufende Schu Eichen- oder Tannenholz bearbeitet? Bey dem Baue eines Haußes rechnet man die geringern Hölzer eins ins andre mit den größern zu einem Mittelpreis; eben so ist es bey Erbauung einer Brüke; nur daß das Pfahl- und Rostwerk besonders bezalt wird.
18o. Was ist der Preis der groben Eisenarbeiten, so wie die so mann beym Waßerbau nöthig hat wo es mehr großer als kleiner Stüke bedarf? Was kostet das Pfund Eisen, gearbeitet und verwendet, wenn der Meister das Eisen liefert? Wenn man es ihm liefert, was kostet die Façon?
19o. Was kostet ein beschlagener und fertiger Handschuttkarre (Benne), wie theur sind die für ein und für zwey Pferdte?
20o. Wie hoch kommen die Schubkarren zu stehen?
21o. Was kosten die Pikelhauen, Haken oder Hauen und Schaufeln?
22o. Giebt es Schmelzoefen und Eisenhammer?
23o. Woher erhält man das Eisen? Ist seine Qualität weich oder spröde?
Wann Sie von den Männern sprechen werden, die obigen Fragen betreffen, so müßen Sie mich zugleich über ihren Karakter und ihre Sittlichkeit belehren; ein Mann kann sehr unterrichtet und geschikt, aber doch untauglich seyn, gebraucht zu werden.
Ich benachrichtige Sie, Bürger Aufseher! daß dieses Memoire sogleich verfaßt werden muß, und daß Sie mir das[s]elbe sobald nur immer möglich zusenden; Sie müßen daher eine besondere Thätigkeit daran wenden, sich die Belehrungen, so Sie nöthig haben könnten, zu verschaffen. Ich meine, daß 6 Wochen hinlangen werden, Sie in den Stand zu setzen, mir das verlangte einzusenden (Punktum Streusand druf).»[1]
Im Missivenbuch sind 15 Rückmeldungen verzeichnet, von denen 13 in den Beständen der Division III des Kriegsministeriums überliefert sind. Von folgenden Kantonen gingen Antworten ein:
- Aargau, 9. Mai 1801.[2]
- Basel, 3. Juni 1801.[3]
- Bellinzona und Lugano, nicht datiert.[4]
- Bern, 7. Januar 1802.[5]
- Léman, 25. Februar 1801.[6]
- Linth, nicht datiert.[7]
- Luzern, 28. Mai 1801.[8]
- Oberland, 13. April 1801.[9]
- Solothurn, 25. April 1801.[10]
- Thurgau, 6. Mai 1801.[11]
- Valais, 7. Mai 1801.[12]
- Waldstätten, 3. Mai 1801.[13]
- Zürich, nicht datiert.[14]
Auch bei dieser letzten Umfrage waren die Antworten uneinheitlich. Während einzelne Kantone auf die Frage nach Zimmerleuten, Maurern und Bauunternehmern Personen namentlich nannten und teilweise auch kurz charakterisierten, fiel die Antwort anderer Kantone pauschaler aus: ja, es habe solche, respektive: nein, es habe keine solchen. Letztlich geht aus den Antworten auch dieser Umfrage hervor, wie regional unterschiedlich bisher Infrastruktur(aus)bauten veranlasst und durchgeführt wurden.
Man baute allgemein auf die Erfahrung einiger Maurer, Steinhauer und Zimmerleute. Besonders interessant sind diesbezüglich die einleitenden Bemerkungen der Basler Antwort.[15] In verschiedenenj Kantonen arbeiteten diese in Regie, während in anderen Bauvorhaben auch schon an eigentliche Unternehmer vergeben wurden.[16]
Die Antwort aus Bern ist einmal mehr am ausführlichsten: «Eigentliche Ingenieurs des Ponts & Chaussées, hat es keine im Canton, vieleicht in ganz Helvetien nicht, weil diese Arbeiten zu keinen Zeiten unter einer besonders dazu erzogenen Aufsicht gestanden.
Wann die Alten Regierungen ein Werk dieser Art von bedeütung zu machen hatten, seÿ es in Brüken, Schließen, Dämmen, oder Straßen, so ließen Sie sich Projecté von Fremden, in diesem Fach erzogenen Männer[n] vorlegen. Welche dann auch öfters die Execution solcher Arbeiten übernommen, oder wenigstens die Direction derselben erhalten.
Da nun aber diese Art Arbeiten, meistens auch in die Architectur einschlägt, so können die nöhtigen Projecten auch von hiesigen geschikten Architecten abgefordert, und Ihnen dann die Execution übertragen werden.»[17]
Von grossem wirtschafts- und verkehrsgeschichtlichem Interesse sind schliesslich auch die Antworten auf die Fragen bezüglich der Löhne der Handwerker, der Taglöhne für Fuhrwerke und der Preise für Baumaterialien.
[1] CH-BAR#B0#1000/1483#2814#1, p. 22-26 [PDF-S. 23-27].
[2] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 9-11 [PDF-S. 10-14].
[3] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 15-20 [PDF-S. 20-30].
[4] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 21-24 [PDF-S. 32-38].
[5] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 27-46 [PDF-S. 43-81].
[6] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 52-61 [PDF-S. 89-106].
[7] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 63-75v [PDF-S. 108-133].
[8] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 77-79 [PDF-S. 135-139].
[9] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 86-90v [PDF-S. 149-158].
[10] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 102-107 [PDF-S. 177-187].
[11] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 109-111v [PDF-S. 190-195].
[12] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 115-119v [PDF-S. 202-211].
[13] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 121-121v [PDF-S. 213-214].
[14] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 126-127v [PDF-S. 222-225].
[15] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 15-20 [PDF-S. 20-30], fol. 15f.
[16] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 9-11 [PDF-S. 10-14], fol. 9.
[17] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 27-46 [PDF-S. 43-81], zit. fol. 27v. und 28.