Der grosse Plan

Im Oktober 1798 reichte Jean Samuel Guisan dem Directoire Exécutive eine Denkschrift unter dem Titel «Mémoire sur les communications et un nouveau mode pour leur entretien» ein.[1] Sie ist ein erstes, wichtiges Dokument für die mit der helvetischen Strassenenquête verfolgten Ziele und zugleich ein Beispiel der zahlreichen in die Zeit der Helvetik übernommenen reformabsolutistischen, stark von Frankreich inspirierten Wissensbestände.[2] Die Reform des Strassenwesens bezweckte nicht weniger als die politische, militärische, wirtschaftliche und kulturelle Integration der Helvetischen Republik. Guisan skizzierte einen «grossen Plan», «un vaste plan», auf den bezogen nun alle auch noch so kleinen Realisierungen Sinn ergeben sollten. Geplant war ein eigentliches helvetisches Nationalstrassennetz: die Übernahme der wichtigen Strassen durch die helvetische Verwaltung.

Dies fügte sich im europäischen Kontext in die allgemeinen Reformen des Verkehrswesens der Sattelzeit. Stichworte dazu sind der Chausseebau, die Rationalisierung des Fuhrwerkverkehrs, die Veränderung der Raumordnung unter merkantilistischen Vorzeichen,[3] politische Gebietsreformen, Zollreformen und die Verwaltungsmodernisierung.

Guisan vermochte zu überzeugen; er wurde Chef der Division III «Génie, Ponts et Chaussées» im Kriegsministerium. Die Regierung und Zentralverwaltung der Helvetischen Republik verfolgten im Sinne des von Guisan skizzierten grossen Plans folgende Ziele:

  • die Vereinheitlichung der Strassenverwaltung,
  • die Reform des Strassenunterhalts,
  • die Reform der Pflichtigkeiten und der Unterhaltsfinanzierung, unter anderem die schrittweise Ersetzung der Fron und des Gemeinwerks durch bezahlte Facharbeit,
  • den sukzessiven Ausbau der Hauptstrassen zu Chausséen und
  • die staatliche Mitfinanzierung und staatliche Verwaltung eines Netzes von Hauptstrassen.

Krieg, äussere Einflüsse, innere Widersprüche, unterschiedlichste regionale Voraussetzungen und Beharrungskräfte, unterschiedliche topografische und wirtschaftliche Verhältnisse, strukturelle, gesetzgeberische und administrative Friktionen und eine grosse, tiefgreifende Finanzkrise standen den grossen Plänen entgegen.



[1] CH-BAR#B0#1000/1483#742#1, p. 33–48 [PDF-S. 149–164].

[2] Vgl. dazu Holenstein, André. Die Helvetik als reformabsolutistische Republik, in: Schläppi, Daniel (Hg.). Umbruch und Beständigkeit. Kontinuitäten in der Helvetischen Revolution von 1798, Basel 2009, 83–104.

[3] Zum Merkantilismus, der nicht nur auf positive Aussenhandelsbilanzen, sondern auch auf die Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktivität zielte, vgl. immer noch: Sombart, Werner. Der moderne Kapitalismus, 3 Bände [Bände I und II, 2. Auflage, München 1916, Band III, 1. Auflage, München 1927], Reprint, München 1987, hier besonders Band II 1: Das europäische Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frühkapitalismus, dritter Hauptabschnitt: Das Verkehrswesen, 229–418, 391, und Band II 2, Kapitel 56: Das System einer merkantilistischen Nationalökonomie, 924–942.